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A review by mira123
Eine Bonnie kommt niemals allein: Meine Leben mit dissoziativer Identitätsstörung by Bonnie Leben
dark
emotional
informative
4.0
Habt ihr schon mal abseits von Krimis und Thrillern von einer dissoziativen Identitätsstörung gehört? Ich muss ja gestehen, dass ich sicher bis ich 14 oder 15 Jahre alt war, nicht wusste, dass es diese Erkrankung wirklich gibt. Ich hielt das einfach für eine Erfindung der Medienindustrie und habe das in diesem Alter auch noch nicht wirklich hinterfragt. Dann habe ich aber eine Doku über eine Person mit eben dieser Krankheit gesehen - und nur wenig später fand meine Thriller-Phase ihr Ende. Denn plötzlich entdeckte ich überall Täter mit multiplen Persönlichkeiten, wie es in diesen Büchern oft noch genannt wird oder zumindest zu diesem Zeitpunkt genannt wurde. Und das fand ich mies, immerhin ist es in der Realität ja genau umgekehrt: Menschen mit einer DIS wurden Opfer schwerster Gewalt, und das bereits in der frühen Kindheit. Irgendwie also pervers, dass diese Personen nun in verschiedenen Medien als Täter*innen gezeigt werden.
Auch die Bonnies haben diese Erkrankung. Als Leserin erfährt man in diesem Buch nicht warum, denn das halten sie für nicht zielführend. Und das ist auch fair enough, denn: Auch Menschen, die wie die Bonnies in der Öffentlichkeit über sowas aufklären, haben ein Recht auf Privatsphäre. Niemand außer Opfer selbst sollten darüber entscheiden, wie viele Details ihrer Geschichte sie teilen möchten. Selbst, wenn diese Opfer ein Buch über ihre Erfahrungen schreiben. Nicht wir haben das zu entscheiden, sondern nur die Bonnies selbst. Gerade wenn die Täter weiter auf freiem Fuß sind, so wie das hier der Fall ist. Außerdem: Ich bin mir nicht sicher, ob eine detailliertere Beschreibung für uns Leser:innen aushaltbar wäre.
Die Bonnies haben sich hier dafür entschieden, einen ähnlichen Erzählstil wie auch in ihren Instagram-Videos einzuhalten. Dort wechseln sich die verschiedenen Personen, die sich den Bonnie-Körper teilen, ab und erzählen immer aus ihrer Perspektive über die ausgewählten Aspekte. Und so machen sie es auch hier: Mal spricht Ami, mal 46, mal Fiona, mal die kleine Tessa, mal eine von über hundert anderen Personen. Das wird immer klar markiert, was zumindest für mich hilfreich war. Auch wenn man manche Personen wie Tessa nach einiger Zeit von selbst erkennt, wäre mir das mit anderen schwerer gefallen. So werden unterschiedliche Themen aus verschiedenen Perspektiven erläutert: der Weg zur Diagnose, der eigene Umgang mit dem plötzlich geteilten Leben, Reaktionen von außerhalb und innerhalb oder auch, wie denn der "richtige" Umgang mit Menschen mit einer DIS aussehen könnte. So werden viele Themen behandelt, in teils sehr informativen, teils eher emotionalen Kapiteln, die teils sachlich und teils sehr persönlich sind, je nachdem, wer denn gerade vorne ist. Das war einerseits interessant, andererseits fehlte mir durch die Menge an Perspektiven an manchen Stellen ein bisschen der rote Faden. So kam es zu Wiederholungen, die zwar teils wichtig und notwendig sind, an anderen aber aus meinen Augen weniger sinnvoll waren.
Auch wurde hier in Absprache mit dem Verlag die Entscheidung getroffen, die Rechtschreibung und Grammatik gerade der jüngeren Personen so beizubehalten, wie sie es selbst geschrieben haben. Das kann ich so akzeptieren - aber es bedeutet nicht, dass es mich nicht gestört hat, gerade bei längeren Passagen. Berufskrankheit, schätz ich.
Mein Fazit? Eine interessante Autobiographie, der an einigen Stellen etwas mehr Struktur gut getan hätte.
Graphic: Child abuse and Mental illness
Moderate: Self harm, Suicidal thoughts, Suicide, and Suicide attempt