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A review by juli_mod
Die Gouvernanten by Anne Serre
4.0
100 Seiten Üppigkeit. Und Frauenfiguren, die Hexen oder Nymphen oder Waldgeister oder Sirenen oder Grazien sind - jedenfalls nicht die Art Gouvernanten, die sonst diese literarische Figur bilden. Hier wird getollt, gehüpft, gefickt. Sehr eigentümlich. Mal transformieren sich die Gouvernanten in monströse Riesinnen, mal in kleine Wesen mit gestutzten Flügeln. Und wenn sie wandern gehen, dann möchte man es ihnen gleich tun: Bäume erklettern, schwimmen, sich suhlen und das alles möglichst nackt und sinnlich.
Der Roman wird zudem von der Frage gerahmt: was ist eigentlich der Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Blick beim Lesen? Bin ich als Leserin eher Gouvernante, lüsterner Greis oder Madame Austeur, die zur Ordnung ruft? Ein modernes Lustspiel für Lektüremutige.
„Man kann auch nackt tanzen, nackt trinken und sich plötzlich auf der Vortreppe entblößen, mit Gefuchtel und markerschütterndem Geheul, das alle zum Lachen bringt.“
„Woher die kamen? Schwer zu sagen. Vermutlich hatten sie ihrer Jugend zum Trotz mindestens einen Schicksalsschlag erlebt, wenn nicht mehrere. Darauf lässt ihre Exaltiertheit schließen: ein Übermaß an Freude, an Kummer, eine merkwürdige Inbrunst, zu viel Appetit, zu viel Schweigen.“
„Aber da kommt schon der nächste Tag. Sie springen gut oder schlecht gelaunt aus dem Bett, schnappen sich ihre roten Kleider, schlagen eine Fensterscheibe ein, stürmen zum Gartentor, traktieren die Haushälterin, rennen über den Rasen, erahnen hinter den dunklen Stämmen fremde Gestalten, pirschen sich an sie heran, jagen ihnen hinterher, machen sich schmutzig und tragen Wunden davon.“
„Wenn sie müßig sind, fühlen sie sich dem Urteil viel näher, als wenn sie entschlossen handeln. Dennoch nötigt sie ein dumpfes Schuldgefühl von Zeit zu Zeit aktiv zu werden.“
Der Roman wird zudem von der Frage gerahmt: was ist eigentlich der Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Blick beim Lesen? Bin ich als Leserin eher Gouvernante, lüsterner Greis oder Madame Austeur, die zur Ordnung ruft? Ein modernes Lustspiel für Lektüremutige.
„Man kann auch nackt tanzen, nackt trinken und sich plötzlich auf der Vortreppe entblößen, mit Gefuchtel und markerschütterndem Geheul, das alle zum Lachen bringt.“
„Woher die kamen? Schwer zu sagen. Vermutlich hatten sie ihrer Jugend zum Trotz mindestens einen Schicksalsschlag erlebt, wenn nicht mehrere. Darauf lässt ihre Exaltiertheit schließen: ein Übermaß an Freude, an Kummer, eine merkwürdige Inbrunst, zu viel Appetit, zu viel Schweigen.“
„Aber da kommt schon der nächste Tag. Sie springen gut oder schlecht gelaunt aus dem Bett, schnappen sich ihre roten Kleider, schlagen eine Fensterscheibe ein, stürmen zum Gartentor, traktieren die Haushälterin, rennen über den Rasen, erahnen hinter den dunklen Stämmen fremde Gestalten, pirschen sich an sie heran, jagen ihnen hinterher, machen sich schmutzig und tragen Wunden davon.“
„Wenn sie müßig sind, fühlen sie sich dem Urteil viel näher, als wenn sie entschlossen handeln. Dennoch nötigt sie ein dumpfes Schuldgefühl von Zeit zu Zeit aktiv zu werden.“