A review by quietgrasshopper
Freiheitsgeld: Roman by Andreas Eschbach

slow-paced
  • Plot- or character-driven? Plot
  • Strong character development? No
  • Loveable characters? No
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? No

2.0

Wer ein Buch sucht, das ein bedingungsloses Grundeinkommen thematisiert, wird hier nicht fündig.
Die wirklich interessanten Fragen zu diesem Thema werden nicht gestellt. Beispielsweise die Frage danach, nach welchen Richtlinien sich ein solcher Betrag richten soll. Ist es fair, wenn alle Bürger einen pauschalen Betrag bekommen, welcher im Durchschnitt die Grundbedürfnisse eines Menschen decken können soll? Oder ist es fair, wenn jeder Bürger gleichermaßen die Chance bekommt, seine Grundbedürfnisse zu decken, was bedeuten würde, jeder Bürger bekomme einen Individuellen Betrag? Denn unterschiedliche biologische Geschlechter oder auch Sportler und nicht-Sportler brauchen beispielsweise unterschiedlich viel Nahrung und Flüssigkeit. Daraus folgen wiederum Fragen, wie zum Beispiel, wie letzteres Szenario finanziert und umgesetzt werden könnte. 
Eine andere interessante Frage wäre gewesen, ob medizinische Versorgung ein Grundbedürfnis ist und ob für Menschen, die beispielsweise auf Medikamente angewiesen sind, das Geld für diese im Freiheitsgeld enthalten, oder ob medizinische Behandlung kostenlos ist. Beide Möglichkeiten bieten viele Fragen und Raum für Kreativität, diese zu beantworten. 
Außerdem wird nicht behandelt, was überhaupt die Ursache für finanzielle Not ist. Das Buch liest sich, als würde ein bedingungsloses Grundeinkommen alle Probleme beheben. Themen wie Chancengleichheit oder Diskriminierung werden nicht behandelt und spielen unlogischerweise keine Rolle mehr in der Zeit, in der der Roman spielt.
Stattdessen geht es in diesem Buch um
eine Verschwörung, die ein Pseudo-bedingungsloses-Grundeinkommen enthält: In dieser Geschichte wurde dieses nur aufgrund der Verschwörung der Superreichen eingeführt. Es soll keine wirkliche Lösung für die Probleme der Menschheit darstellen. 
Infolge der technischen Automatisierung - wodurch die meisten Arbeitsplätze wegfielen - wollten sich die Superreichen mit Hilfe des Freiheitsgeldes ihrer Verantwortung entziehen: 
Es wird erklärt, dass Menschen vor tausenden Jahren ihr Eigentum weggenommen wurde, im Austausch gegen die Organisation ihrer Arbeit (Entstehung der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung), diese Arbeit aber später durch die technische Automatisierung von Maschinen und Robotern ersetzt wurde. Als diese Automatisierung stattfand, wurde nun das Eigentum nicht wieder gleichmäßig und rechtmäßig zurückverteilt. Stattdessen wollten die Superreichen ihren Reichtum behalten und haben das Freiheitsgeld eingeführt, um das absolute Minimum, des den Menschen zustehenden Besitzes, zurückzugeben.
Die eigentliche Verschwörung geht aber noch sehr viel weiter, denn die Superreichen sehen ein Problem in der Überbevölkerung, weil ihnen ihr finanzieller Luxus nicht mehr genügt. Sie wollen auch den Luxus, die Welt - aka Lebensraum - für sich selbst zu haben. Also wollen sie die Menschheit drastisch reduzieren. Das ist schließlich möglich, da es genug Maschinen gibt, die für sie arbeiten können. Deshalb führten sie zur Kontrolle der Geburtenrate heimlich eine Beimischung von Hormonen in Medikamente ein. (Dieser Anspruch der Superreichen auf das Recht auf Fortpflanzung und Überleben wird noch distopischer gemacht, indem die Superreichen den "Normalbürger" berauben, um aus dessen Blut und Sperma (warum???) ein Mittel zur Bekämpfung des Alterungsprozesses zu gewinnen.)
Das Freiheitsgeld ist also nur ein Mittel der Superreichen, sich ihren Reichtum zu sichern. Nicht eine Lösung für finanzielle Not, Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Anstatt sich also mit dem eigentlichen Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens zu beschäftigen, geht es hier viel eher um die Kritik an der Habsucht von Menschen bzw. Kritik an der Ursache der Situation, die ein bedingungsloses Grundeinkommen nötig/möglich macht, und um eine Warnung davor, dass sich Menschen nicht von Maschinen überflüssig machen lassen sollen.
Kurz: Das Buch behandelt nicht das Thema eines bedingungslosen Grundeinkommens, sondern
die Gefahren der technischen Automatisierung.

Das Buch spinnt die heutige Situation weiter und verschärft sie.
Das bedingungslose Grundeinkommen wird kritisiert als eine Art Ausrede. Die eigentlichen Probleme seien verursacht durch den Kapitalismus und die Anhäufung von Reichtum. Dies sei der Grund, weshalb es finanzielle Not gibt. Es wirkt so, als würde das Buch allerdings auch suggerieren, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht rechtmäßig sei und demnach nicht eingeführt werden sollte, obwohl es Chancen der Besserung der Lebenssituation von Menschen liefert. Eine nötige Alternative wird leider nicht vorgeschlagen. Es ist unklar, worin Eschbach eine Lösung sieht. Da dies offen bleibt, lässt sich das Buch unglücklicherweise und - das unterstelle ich ihm jetzt einfach mal - fälschlicherweise sehr einfach so interpretieren, als würde Eschbach aussagen wollen, man solle sich als Gesellschaft zurück entwickeln und den Kapitalismus auflösen.

Ich finde die Grundidee
und das dystopische Szenario, das (leider erst) am Ende (richtig) enthüllt wird,
genial. Leider ist die Ausarbeitung meiner Meinung nach nicht gut gelungen. 
Die Charaktere haben sich sehr flach angefühlt und ich habe im letzten Drittel gänzlich das Interesse an ihren Geschichten verloren. Ich habe beim Lesen zwischendurch die Namen vergessen und weiß sie mittlerweile auch gar nicht mehr.
Dadurch, dass
das dystopische Setting erst sehr gehetzt am Ende richtig enthüllt wurde,
war die Welt, in der die Geschichte spielt, den Rest der Zeit unfassbar langweilig. Es entsteht keine richtige Atmosphäre. Auch wenn die Welt ausführlich beschrieben wurde, fühlte sie sich charakterlos und vor allem uninteressant an. 
Zudem sind die Menschen alleine durch das Freiheitsgeld anscheinend weitestgehend zufrieden und ruhig gestellt. Die einzigen Phänomene, die noch auftreten sind Faulheit, Bildungsmangel und Probleme, trotz Ausbildung einen Beruf zu finden. Das fand ich extrem unrealistisch. 
(Zusatz: Ich finde, es hätte ruhig mehr behandelt werden können, dass durch das Freiheitsgeld ein Beruf, und (in dieser Geschichte) deswegen auch Bildung, optional wurde. Wer aber keine Ausbildung hat, hat gar keine Chance, Geld zu verdienen und seine Lebenssituation zusätzlich zu verbessern oder Lebensträume zu entwickeln und erfüllen. Mich hätte interessiert, warum Bildung optional gemacht wurde. Um die Menschen ungebildet zu halten und davon abzuhalten zu rebellieren? Oder wurde dieser Aspekt einfach nicht bedacht?)
Zusätzlich baut die Entwicklung des Plots hauptsächlich auf
mehreren Morden
auf, deren Geschichten sehr langweilig geschrieben wurden. Als Leser entwickelt man kein Interesse an den Betroffenen, wodurch
durch die Morde
keine emotionale Reaktion beim Leser hervorgerufen wird, weshalb man nicht in die Geschichte involviert ist. Außerdem erhält man keine Chance, mitzufiebern.
Auch die Charaktere im Buch selbst lösen den Fall nicht eigenständig sondern bekommen den Fall am Ende gänzlich erklärt bzw. die Karten zufällig in die Hand gespielt. Eigentlich hat keiner der Charaktere bis zum Ende eine Ahnung, was er tut oder was passiert.
Grundsätzlich finde ich sowas in Büchern nicht schlecht. Ein großes Mysterium, Charaktere und Leser wissen nicht im Geringsten, was passiert ist - aber
der Schreibstil war so langweilig und die Charaktere haben zwar für den Plot logisch gehandelt, wirkten aber genau deswegen teilweise wie leblose Marionetten des Autors. Ich habe mich manchmal gefragt, woher die Motivation mancher Charaktere für manches Handeln kam. 
Zusätzlich haben mir die Szenen bezüglich der Samenentnahme mehr als wenig gefallen.
Besonders die Gedanken des männlichen Hauptprotagonisten bezüglich dieses Erlebnisses fand ich ekelerregend und unnötig.
Allgemein fand ich es sehr random, dass das Wundermittel gegen das Altern ausgerechnet aus Blut und Sperma gewonnen wird. Man hätte sich gut und gerne auf das Blut beschränken können und
diese unnötigen sexuellen Fantasien weglassen können. 
Und wenn wir schon beim Thema sind. Eine Sache ist mir vor allem auf die Nerven gegangen. Und zwar der subtile Sexismus und die Geschlechterrollen. (Gerade in einem SciFi Roman finde ich das zusätzlich auch unrealistisch.) Man merkt einfach, dass das Buch von einem Mann geschrieben wurde. Das ist mir leider bei vielen Büchern von Eschbach aufgefallen und ist auch der Grund, weshalb dieses hier mein letztes von ihm war.