A review by jonathanelias
Der kurze Brief zum langen Abschied by Peter Handke

Did not finish book.
Tolle Rezension, die erfasst,.worum es da Handke eigtl geht: 
Wer deswegen als vorherrschendes Klima in Handkes Buch Kälte und Ekel wahrzunehmen glaubt und dazu dann gar »mangelnde Humanität« oder dergleichen assoziiert, sollte versuchen, genauer hinzusehen; vielleicht könnte ihm ein Satz Nietzsches auf die Spur helfen, der präzise wie wahrscheinlich kaum ein anderer artikuliert, was Handkes Lebensgefühl ausmacht: »Meine Humanität besteht nicht darin, mitzufühlen, wie der Mensch ist, sondern es auszuhalten, daß ich ihn mitfühle ... Meine Humanität ist eine beständige Selbstüberwindung.«Lesevergnügen? Nach alledem? Durchaus. Nicht nur, weil jeder Satz, auch wenn er. aus der Niedergeschlagenheit kommt, eine einzigartige Beobachtungs- und Sinnlichkeitsqualität aufweist, sondern weil ein Hauptteil dieser Qualität gerade in dem Lesevergnügen besteht, das den Erzähler bei Handke selbst immer wieder überkommt -- »Eine zwanghafte Sympathie stellte sich bei mir ein mit allem, nur dadurch, daß ich es beschrieben fand« -, und weil diese Sympathie sich so spontan und stark überträgt, daß man plötzlich wieder, was ja selten genug ist, Lust auch auf andere Bücher bekommt. Etwa auf eben jenen »Grünen Heinrich« Kellers« der Handkes Ich auf dieser Reise am meisten bewegt.Wie »Der grüne Heinrich« besteht Handkes Buch aus lauter Abschweifungen und Phantasien. Judith, »das von keiner Wirklichkeit getrübte Phantasiebild einer Frau«, das Keller geschaffen hat. Judith, so heißt nicht von ungefähr auch eine der Frauen bei Handke. Es drängen sich noch viele Parallelen auf. Eine zu einem anderen Buch, an die Handke selbst kaum gedacht haben dürfte (und die eher existentiell als literarisch existiert), ist für mich besonders frappierend: die Parallele zu Dostojewskis »Idiot«, einem Buch, das ebenfalls aus lauter Abschweifungen besteht und vom gleichen unglücklichen Bewußtsein bestimmt wird, das Rückwärtsträume so sehr begünstigt und die Konzentration auf eine »Idee« verwehrt ("Damals waren die Menschen noch von einer einzigen Idee erfüllt, jetzt sind sie nervöser«, sagt Myschkin).Auch Myschkin weiß kaum je, warum er tut. was er tut; auch er kann Glück und Unglück nicht auseinanderhalten; auch er urteilt über Menschen und Dinge nicht, sondern erfährt sie nur und versucht die Erfahrungen auszuhalten; auch er wirkt ebenso schamhaft wie hochmütig ("Sie müssen sich immer interessant machen«, wirft ihm Aglaja vor; bei Handke wird gefragt: »Muß ich mich denn immer noch darstellen, damit man mich wahrnimmt?"); auch er ist empfindsam bis zum Exzeß (bei Handke wird nach der Lektüre einer Keller-Szene ausführlich geweint) und, vor allem, auch er existiert wirklich nur im Erzählen und möchte doch jede Erzählung gleich wieder ungeschehen machen (Aglaja: »Jedesmal, wenn Sie mit einer Erzählung fertig sind, schämen Sie sich sofort dessen, was Sie erzählt haben").Die wichtigste Parallele zwischen Handke und Keller sowohl als Dostojewski: das Staunen, mit dem diese fast ein Jahrhundert voneinander getrennten Helden in die Welt schauen. Handke spricht voll Abscheu von Menschen. »die alles, was sie sehen, auch das Erstaunlichste, sofort auf einen Begriff bringen wollen ... und damit aufhören. es zu erleben« --