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A review by mira123
Unlearn CO2: Zeit für ein Klima ohne Krise by Manuel Kronenberg, Claudia Kemfert, Julien Gupta
informative
inspiring
reflective
slow-paced
4.0
Dieses Buch habe ich mal wieder aus der Arbeit mitgenommen. Und nein, meinen Buchkauf-Bann habe ich damit nicht gebrochen. Erstens, weil ich das Buch ja nicht gekauft habe. Zweitens, weil dieses Buch schon 2024 bei mir daheim gelandet ist. Und heute geht die Rezension endlich online - an einem Tag, an dem Tempo 150 auf den Österreichischen Autobahnen diskutiert wurde. So, und jetzt wird's politisch - wer das nicht will, sollte JETZT zu einem anderen Post klicken. Für alle anderen: Hoffen wir mal, dass das nicht durchgesetzt wurde, denn WAS ZUR HÖLLE? WARUM??? Welchen Vorteil würde mir das in meinem Alltag bieten? Einmal Asthma to go? Noch mehr Vollkoffer, die von ihren eigenen Rasereien so gestresst sind, dass sie mich anhupen, wenn ich ganz normal über einen Zebrastreifen spaziere? Aber ich denke, solche Aktionen sollten uns nicht überraschen. Wird in Zukunft sicher öfter passieren. Das passiert, wenn man Parteien wählt, die den Klimawandel immer noch leugnen. Danke an die Leute, die dafür gesorgt haben, dass vor allem eine dieser Parteien in Österreich aktuell die stimmenstärkste ist. Ich hoffe, dass niemand von euch das je hier lesen wird, weil ich euch schon vor Jahren mit meinem links-grünen-Getue vergrausigt habe. Und an alle, die sich jetzt unwohl fühlen: Gut so. Ich bin heute nicht online gegangen, um gute Stimmung zu verbreiten. In unserer Welt läuft aktuell verdammt viel falsch und ja, ich weiß, dass ich als Einzelperson und auf einem Buchblog nur wenig tun kann. Aber ich kann meine Buchauswahl entsprechend anpassen und genau das tue ich gerade. Und ich kann in meinen Posts auf Themen aufmerksam machen, die mich stören. Populistische, dumme Entscheidungen oder Gedankenspiele, die auf keinerlei wissenschaftlichen Grundlage beruhen, gehören zu diesen Themen.
Nach „Unlearn Patriarchy“ und „UnlearnPatriarchy 2“ ist „Unlearn CO2“ der dritte Teil der Unlearn-Reihe. Während sich die ersten beiden Bücher mit dem Patriarchat und mit Feminismus beschäftigen, handelt dieses hier von der Klimakatastrophe. Expert*innen aus verschiedenen Fachbereichen wurden dazu eingeladen, aus dieser Perspektive über den Klimawandel zu schreiben. So finden sich hier neben den klassischen Kapiteln über die Verkehrswende und über Ernährung auch Kapitel über Mode oder Behinderung, aber auch der Erfahrungsbericht eines Mannes, der sich aus ausrangierten eBike-Akkus eine Photovoltaik-Anlage auf dem Balkon und einen Akku für den erzeugten Strom gebaut hat. Dieses Kapitel habe ich direkt für ein Familienmitglied markiert, den das ganz sicher begeistern wird. Alle der Kapitel laden dazu ein, den persönlichen Alltag und eigene Denkmuster kritisch zu hinterfragen. Und klar werden die meisten von uns nicht damit beginnen, Fahrrad-Akkus auseinanderzunehmen - aber was ist mit unserer Ernährung? Unserer Alltagsmobilität? Unsere Wahlentscheidungen, da wir mit individuellen Entscheidungen alleine keine Klimawende herbeiführen können?
Die hier verwendete Sprache ist verständlich, ein bereits vorhandenes, grundlegendes Hintergrundwissen ist trotzdem hilfreich. Zumindest fand ich das, die ja bereits zumindest ein bisschen Wissen zum Thema mitbringt. Klimawissenschaftlerin muss man aber trotzdem nicht sein - sage ich als jemand, der garantiert nichts mit Naturwissenschaften studiert hat. Dieses Buch bietet Denkanstöße in den verschiedenen Bereichen und auch in Feldern, die man im ersten Moment nicht unbedingt mit dem Kampf gegen den Klimawandel in Verbindung bringen würde. Ich habe zum Beispiel davor nie wirklich über das Thema Mode in diesem Zusammenhang nachgedacht. Ich gehe nicht gerne shoppen, egal ob online oder vor Ort, und trage daher eh alles, bis es kaputt ist. Und klar habe ich mitbekommen, dass das viele Leute nicht so machen - aber dass es so schlimm ist? Ich bin nach dem Lesen selbst ein bisschen in ein Rabbit-Hole eingetaucht und war schockiert, wie viele Hauls von Online-Billigst-Händlern ich gefunden habe, in denen Menschen kiloweise neue Kleidung präsentieren. Leute, das braucht ihr doch alles nicht! Wozu? Um online ein paar Likes zu bekommen? Durch diese Themenvielfalt schaffen es die Expert:innen, auch Verbindungen mit dem Alltag herzustellen und ich bin mir sicher, dass dieses Buch das Potential hat, ein breites Publikum anzusprechen.
Besonders glücklich macht mich, dass es dieses Buch schafft, die Notwendigkeit struktureller und gesamtgesellschaftlicher Änderungen aufzuzeigen. Wenn alle von uns weniger mit dem Auto fahren, weniger oder gar kein Fleisch mehr essen und im Sommer vielleicht mit dem Zug nach Italien statt mit dem Flugzeug nach Mallorca reisen, dann ist das natürlich toll. Aber solange das reichste 1 % der Bevölkerung so viel CO2 produziert wie die ärmsten 60 %, wird das nicht reichen. Ich wünschte es wäre anders.
Mein Fazit? Ein Buch, das zum Handeln auffordert. Kann ich euch empfehlen!