A review by nettebuecherkiste
Propaganda by Steffen Kopetzky

5.0

1971 in Missouri. Major John Glueck, der als Mitglied der Propaganda-Abteilung der US-Armee im Zweiten Weltkrieg kämpfte, wird wegen eines Verkehrsdelikts ins Gefängnis gesteckt. Tatsächlich jedoch ist sein Fall wesentlich brisanter: Er trug Dokumente bei sich, die die Machenschaften der US-Regierung im Vietnamkrieg aufdecken sollen. Bis zu seiner Verhandlung nutzt Glueck die Zeit im Gefängnis, um seine Geschichte von der Schlacht im Hürtgenwald aufzuschreiben, die für die US-Armee ein Desaster war.

Wie bereits der Vorgängerroman „Risiko“ ist auch Steffen Kopetzkys ein anspruchsvolles Buch, das die volle Aufmerksamkeit des Lesers erfordert und das sich mit einem militärischen Thema befasst. Dieser Satz soll jedoch keineswegs abschreckend wirken: Wer sich auf den Roman einlässt, wird mit einer akribisch recherchierten, genial konstruierten Geschichte auf zwei Zeitebenen belohnt. Das historische Vorbild für Gluecks Dokumente sind die sogenannten „Pentagon Papers“, die tatsächlich von Daniel Ellsberg offengelegt wurden. Ein zusätzliches Schmankerl ist die Beteiligung der US-Schriftsteller Salinger und Hemingway als Kriegsberichterstatter, Kopetzky lässt beide aktiv auftreten, wobei mir vor allem die Darstellung Hemingways gut gefallen hat. Der Protagonist John Glueck ist nicht durchweg sympathisch, aber, ganz wichtig, er ist absolut integer und vertritt die Ideale, die in der amerikanischen Verfassung aufgestellt sind, auch gegen seine eigene Regierung. Ein aktueller Bezug fehlt auch nicht, denn Glueck steht in einer Linie mit aktuellen Whistlebowern und eine Aussage, die einen Seitenhieb gegen den damaligen Präsidenten Nixon darstellt, passt meiner Meinung nach auch wunderbar zum aktuellen US-Präsidenten und ich meine auch, ertastet zu haben, dass das nicht unbeabsichtigt ist.

Sprachlich ist der Roman ebenfalls durchweg gelungen. Kopetzky schreibt anspruchsvoll, ohne anstrengend zu werden. In dieser Hinsicht hat mir „Propaganda“ noch besser gefallen als „Risiko“, ich habe Kopetzkys Sätze wirklich genossen. Auch ein Bonbon ist, dass Kopetzky es schafft, den Gegenstand von „Risiko“, nämlich „das große Spiel“, anhand dessen Strategen in der Geschichte häufig ihre Einsätze planen. Auch die Befehlshabenden im Hürtgenwald lässt Kopetzky dieses Spiel spielen.

„Propaganda“ ist ein überaus intelligenter, kurzweiliger und sprachlich anspruchsvoller Roman, der viele Leser verdient hat. Wenn Steffen Kopetzky so weiter macht, wird er wohl zu einem Autobuy-Kandidaten für mich. Für meine Begriff hätten er und seine Bücher noch einen größeren Bekanntschaftsgrad verdient. Ich hoffe sehr, dass das Buch für den Deutschen Buchpreis nominiert wird.

Der Sprecher Johann von Bülow hat eine sehr angenehme Stimme und liest einwandfrei, große Empfehlung auch für das Hörbuch.